HLPF 2019: Deutlicher Ruf nach einer stärkeren Beteiligung der Wissenschaft an der Umsetzung der Agenda 2030

02.08.2019

Einblick ins HLPF: Inga Rhonda King (Mitte), Presidentin des Economic and Social Council (ECOSOC). Amina Mohammed (l.), Deputy Secretary-General, und Liu Zhenmin (r.), Under-Secretary-General for Economic and Social Affairs. Quelle: UN Photo/Mark Garten

Wissenschaftliche Erkenntnisse sind vor allem dort wichtig, wo Probleme komplex und wissenschaftliche Gewissheit gering sind, und wo es an sozio-politischem Konsens und Handlungswillen mangelt. So die Einschätzung der beiden Ko-Vorsitzenden der Wissenschaftlergruppe, welche aktuell für die Vereinten Nationen den „Global Sustainable Development Report“ (GSDR) erarbeitet. Dieser Bericht wird im September 2019 zum UN-Nachhaltigkeitsgipfel (SDG Summit) veröffentlicht – bereits jetzt wurden beim HLPF in New York zentrale Ergebnisse diskutiert. Marianne Beisheim, Lenkungskreismitglied der Wissenschaftplattform, hat teilgenommen und berichtet.

Im Juli 2019 trafen sich Vertreter/innen der UN-Mitgliedstaaten im Hauptquartier der Vereinten Nationen (UN) in New York zum jährlich stattfindenden Hochrangigen Politischen Forum zu Nachhaltiger Entwicklung (HLPF), um die Umsetzung der 2030 Agenda und Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) zu diskutieren. In die Gesprächsrunden bringen auch Wissenschaftler/innen ihre Sicht ein. Zugang bekommen diese beispielsweise über den International Science Council (ISC) als Co-Koordinator der UN Major Group „Scientific and Technological Community“, die beim HLPF Rederecht hat.

Beim diesjährigen HLPF spielte das Thema „Wissenschaft für die SDGs“ eine besondere Rolle. Die Ko-Vorsitzenden der „Independent Group of Scientistspräsentierten die wichtigsten Botschaften des „Global Sustainable Development Report“ (GSDR) Dieser wurde 2016 von den UN-Mitgliedstaaten beauftragt. Jenseits der Beurteilung von Trends bei der Umsetzung der SDGs soll der GSDR vor allem wissenschaftliche Einschätzungen zu möglichen transformativen Pfaden hin zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung liefern. Der Bericht identifiziert die Wissenschaft als einen von vier wichtigen Transformationshebeln (levers for change). Hierfür müsse sich die Wissenschaft jedoch selbst transformieren, etwa vermehrt in Partnerschaft mit anderen Wissensträgern agieren und Erkenntnisse aktiver in die Gesellschaft tragen. Insbesondere die Wissenschaft im globalen Süden müsse dafür gestärkt werden. Ein Bedarf für entsprechende Plattformen wurde hervorgehoben (Science Policy Platforms), die den Austausch zwischen Wissenschaft und Politik fördern sollen.

Diesen Befund teilte auch Heide Hackmann, Geschäftsführerin des ISC: Die Wissenschaft sollte die SDGs stärker in ihre Arbeit integrieren, und die UN und die Regierungen sollten in Institutionen für Science-Policy-Interaktion investieren. Positiv wurde von einigen HLPF-Teilnehmer/innen bemerkt, dass in gewissem Umfang ein Wandel hin zu „Wissenschaft für Nachhaltigkeit“ stattfinde. Eine Vertreterin aus der Wissenschaft bedauerte jedoch, dass Wissenschaftler/innen ihre Ergebnisse zwar in die selbst organisierten Side Events der ersten Arbeitswoche des HLPF einbringen, in der Folgewoche beim stärker politischen Ministersegment des HLPF jedoch kaum präsent seien.

Ein Vertreter des UN-Sekretariats lobte bei einem Side Event des ISC, dass der GSDR auch auf Herausforderungen seitens jener gesellschaftlichen Gruppen eingehe, die die Validität wissenschaftlicher Erkenntnisse infrage stellten. Wissenschaftler/innen müssten eine breitere Zuhörerschaft gewinnen, um den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt zu mobilisieren und ihren Erkenntnissen Gehör zu verschaffen. Ergänzend diskutierte ein von der Leopoldina initiiertes Side Event beim HLPF, wie in Gesellschaften entsprechende kognitive und motivationale Kompetenzen verbessert werden könnten. Dies sei notwendig, da die Realisierung der 2030 Agenda vorausschauendes Denken und Handeln sowie das Abwägen von kurz- mit langfristigen Zielen erfordere.

Während des HLPF wurde deutlich, dass wissenschaftliche Beiträge für die nationale Umsetzung der SDGs von großer Bedeutung sind. Das gilt etwa für die Berichterstattung der Staaten („Voluntary National Reviews“) oder ihre Wissenschafts-, Technologie und Innovationsstrategien („STI Roadmaps for SDGs“). Bei einer vom Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) mitorganisierten Veranstaltung diskutierten die Teilnehmer/innen, inwieweit ein globales Netzwerk nationaler Räte und ähnlicher Multi-Stakeholder-Institutionen den Austausch zu relevantem Umsetzungswissen verbessern könnte. IASS Senior Fellow Ingeborg Niestroy analysierte unterschiedliche institutionelle Arrangements für Multi-Stakeholder Beteiligungsformen bis hin zur direkten Einbeziehung von Wissenschaft in Politikprozesse. Kontinuierlicher „peer support“ und institutionalisierte Unterstützung des Wissensaustauschs seien hier wichtig.

Wenn Ende September 2019 der GSDR vorliegt, ist es wichtig, mit seinen Empfehlungen auch zu arbeiten. Auffällig ist: Die WPN2030 unternimmt schon vieles, was beim HLPF 2019 gefordert wurde. Unsere Erfahrungen sollten wir zukünftig stärker in den internationalen Austausch einbringen, vor allem zu verschiedenen Formaten der Aktivierung von Wissenschaft, der Zusammenarbeit mit anderen Wissensträgern und der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in politische Prozesse hinein.

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