Interview mit Friedhelm Taube zur Belastung von Gewässern

Prof. Friedhelm Taube, Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Weshalb kommt Deutschland nur schleppend in der Verbesserung der Gewässerqualität voran, was sind indes vielversprechende Ansätze? Welche Rolle kommt dabe der Wissenschaft zu? Darüber spricht Friedhelm Taube im Interview.

 

Herr Taube, die Landwirtschaft wird im Indikatorenbericht 2018 als ein Hauptverursacher für die Phosphor- und Nitratbelastungen der Gewässer in Deutschland benannt, also auch für das Verfehlen entsprechender DNS-Ziele. Was sind Ihrer Kenntnis nach die Gründe dafür, dass die Belastungen nicht verringert werden konnten?

Friedhelm Taube: Es stimmt, die Landwirtschaft ist ein Hauptverursacher für diese Belastungen, insbesondere die Tierhaltung. Doch gibt es in beträchtlichen Teilen des Sektors einen messbaren Bewusstseinswandel und die Bereitschaft zu ökologisch verantwortungsvollerem Handeln. Dieser Wandel wird jedoch noch viel zu wenig beachtet und belohnt. Die Gründe für das Verfehlen dieser und andere Umweltziele sind somit nicht nur in der Landwirtschaft selbst, sondern insbesondere auch in der Agrarpolitik zu suchen. Denn sie versagt darin, vielversprechende Ansätze zur Erreichung von Umweltzielen gegen die Interessen einiger blockierender Agrarlobbyverbände durchzusetzen. Die enormen Abstimmungs- und Umsetzungsdefizite und Handlungsbedarfe zu den beiden Indikatoren für SDG 6, Reduzierung der Nitrat- und Phosphorbelastungen sind da nur ein Beispiel. In allen Umweltbereichen, auch beim Klima und der Biodiversität, gibt es seit der EU-Agrarreform 2003/2005 keine signifikant positiven Entwicklungen.

Was sind Beispiele für vielversprechende Ansätze zur Erreichung der Umweltziele? 

Taube: Ein sehr gutes Beispiel für eine an sich vielversprechende politische Maßnahme zur Erreichung der Umweltziele ist die 2017 deutschlandweit eingeführte Düngeverordnung. Hierzu gehört auch die seit 2018 gültige Verordnung zu den sogenannten Stoffstrombilanzen, mit denen Betriebe die Zu- und Abfuhr von Nährstoffen wie Phosphor und Nitrat und somit ihre nachhaltige und ressourceneffiziente Nutzung dokumentieren sollen. Gemeinsam mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen war ich in einer Arbeitsgruppe an der Entwicklung dieser Verordnungen beteiligt und habe dadurch sowohl den wissenschaftlichen als auch den politischen Prozess miterlebt. Und mein Fazit dazu lautet: Die Ideen und Ausarbeitungen der vom BMEL selbst eingesetzten Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Düngeverordnung von 2006 und zur Vorbereitung einer effizienten Düngegesetzgebung für den Wasserschutz hatten großes Potenzial den Transformationsprozess der Landwirtschaft in  Richtung Nachhaltigkeit substanziell zu unterstützen. In der verabschiedeten Form allerdings werden die Verordnungen nicht den gewünschten Effekt bringen, weil zentrale Elemente im politischen Prozess verwässert wurden.

Ein Beispiel: Als Mitglieder der BMEL-Arbeitsgruppe „Betriebliche Stoffstrombilanzen“ haben wir eine einheitliche Einstiegsobergrenze von 130 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr als maximalen Stickstoffüberschuss insbesondere in der Tierhaltung gefordert. Ein Wert, der dann nach wenigen Jahren auf 120 kg N/ha abzusenken ist, weil dies der Grenzbereich für deutlich negative ökologische Effekte ist. Ein erlaubter Überschuss von 130 kg N/ha  war also schon ein großes Entgegenkommen an die intensiven Tierhaltungsbetriebe. Schlupflöcher in der dann tatsächlich verabschiedeten Verordnung und Ausnahmegenehmigungen erlauben jetzt aber effektiv  bis zu weit über 200 Kilogramm Überschuss je ha, das ist legalisierte Gewässerverschmutzung.

So werden Landwirte, die diese Schlupflöcher nutzen, belohnt und die, die es nicht tun, durch die höheren Auflagen an anderer Stelle bestraft. Es wird also weiterhin nicht gezielt die Landwirtschaft gefördert, die gleichermaßen eine nachhaltige Intensivierung, langfristige Rentabilität und Gemeinwohlleistungen anstrebt – und somit auch nicht das Prinzip gestärkt: „öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“. Für mich ist die Tatsache, dass der Einfluss der Agrarlobby nach wie vor das Interesse weniger zu Lasten des Gemeinwohlinteresses durchsetzen kann, das schwerwiegendste Defizit der derzeitigen Agrarpolitik. Für die Nitratbelastung gehe ich daher davon aus, dass bis zum nächsten Nitratbericht 2020 kein positiver Trend zu erkennen sein wird – eher das Gegenteil wird der Fall sein.

Angesichts der politischen Maßnahmen zum Schutz von Gewässern im Laufe der vergangenen Jahrzehnte – etwa der Einführung phosphatfreier Waschmittel, Grenzwerte für die Einleitung von geklärtem Abwasser, düngemittelbezogene Regulierungen: Welche Arten von Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach am erfolgsversprechenden?

Taube: Ich sehe vor allem differenzierte und schrittweise umgesetzte Maßnahmen mit einer deutlichen Gemeinwohlausrichtung der staatlichen Förderung und Regulierung als erfolgsversprechend. Dieses Ziel muss klar formuliert werden und mit entsprechenden Meilensteinen konzipiert werden, damit sich unternehmerische Landwirte darauf einstellen können. Die Politik sollte nicht weiter Geld mit der Gießkanne nach den Wünschen einiger Lobbyverbände verteilen, sondern auf der Grundlage von real existierenden und unabhängig ermittelten Bedarfen gezielt fördern beziehungsweise regulieren.

Zum einen kann eine solche differenzierte Betrachtung der Landwirtschaft wirtschaftliche Dynamiken auslösen und unterstützen, die nicht durch undifferenzierte flächendeckende Maßnahmen ausgehebelt und von Partikularinteressen ausgenutzt werden können. Zum anderen erfordern differenzierte Maßnahmen ein schrittweises Vorgehen, das Gewinner und Verlierer benennt und politische Entscheidungsträger dazu zwingt, sich langfristig mit der wissenschaftlichen Datenbasis über individuelle betriebliche Situationen und mögliche Transformationspfade innerhalb des Sektors auseinanderzusetzen. Nur so kann die Agrarpolitik ihrem zukunftsorientierten Gestaltungsauftrag gerecht werden. In diesem Sinne erfolgsversprechende Maßnahmen sind ausgerichtet an der Ökoeffizienz der landwirtschaftlichen Produktion, also einem möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck des Produkts und formulieren so unter anderem dritte Wege für die Landwirtschaft in Deutschland. Das sind in der Regel Mittelwege zwischen den bisherigen auf Maximalerträge und Export ausgerichteten Positionen mit nach wie vor hohen Umweltkosten auf der einen Seite und denen des Ökolandbaus mit häufig zu niedrigen Erträgen auf der anderen Seite.

Dritte Wege sichern messbare Umweltleistungen durch Standort angepasste Tierhaltung, vielfältige Fruchtfolgen und sehr geringe Nährstoffüberschüsse, diese Leistungen müssen bewertet und Landwirte dafür honoriert werden. Ein solches Bewertungssystem ist das Gemeinwohlprämienmodell des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege, der die Gemeinwohlleistungen wissenschaftsbasiert mit Ökopunkten erfasst und sicherstellt, dass nur solche Landwirte Transferzahlungen des Staates erhalten, die eine Mindestpunktzahl erhalten – mehr Punkte bedeutet mehr Gemeinwohlleistungen, bedeutet mehr Geld vom Staat. So kann erreicht werden, dass im Sektor gute Landwirtschaft im Sinne des Gemeinwohls unabhängig von Labeln wie ‚konventionell‘ oder ‚ökologisch‘  belohnt wird – das setzt Anreize für die weniger guten Betriebe besser zu werden, denn niemand möchte sich in der Gruppe einordnen, die die Mindestpunktzahl nicht erreicht. Die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 erlaubt der Bundesregierung auf nationaler Ebene so etwas umzusetzen – man muss es nur wollen.

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