Unser Konsum verlagert sich immer weiter in den digitalen Raum, die Produktion von Konsumgütern wird immer mehr digitalisiert, und die Digitalisierung selbst schreitet dabei mit einer enormen Geschwindigkeit voran. Ob diese tiefgreifenden Veränderungen im Konsum zu mehr oder weniger Nachhaltigkeit führt, ist indes offen. Die Zeit drängt also, um das Thema intensiver zu beforschen und politisch zu gestalten – zumal die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie das Thema Digitalisierung in Verbindung zum Konsum noch nicht berücksichtigt.
Die AG „Nachhaltiger Konsum“ hat daher Digitalisierung zu einem zentralen Thema ihrer Arbeit gemacht. In einem Fachgespräch im Mai 2018 hat die AG mit Experten für Digitalisierung und Konsum die größten Herausforderungen, Chancen und Risiken diskutiert. Die Ergebnisse fließen ein in die weitere Bearbeitung des Themas durch die Wissenschaftsplattform.
Die zentralen geteilten Aussagen der Diskussion waren:
- Derzeitige politische Strategien zum Themenkomplex Konsum und Digitalisierung reagierten größtenteils nur auf akute Herausforderungen wie etwa Datenschutzlücken. Nur selten seien sie auf eine langfristige Gestaltung ausgerichtet. Das sei aber insbesondere für die Förderung nachhaltiger Entwicklung geboten.
- Auch in der Wissenschaft müssten die Zusammenhänge zwischen Konsum und Digitalisierung noch intensiver beforscht werden – vor allem hinsichtlich der Risiken und Chancen für eine nachhaltige Entwicklung.
- Das Risiko der Reboundeffekte sei beim Konsum besonders hoch durch die Digitalisierung – dass also etwa leichterer digitaler Zugang zu Gütern zu mehr Konsum führt oder dass Einsparungen in einem Konsumbereich zu Mehrausgaben in einem anderen Konsumbereich zur Folge haben. Hier gäbe es ebenfalls Forschungslücken.
- Unterschiedlich ausgeprägte Zugänge zu digitalen Angeboten könne zu gesellschaftlichen Spaltungen führen und sie verstärken – sowohl innerhalb einer Gesellschaft als auch zwischen unterschiedlichen Gesellschaften weltweit („Global Digital Divide“). Was das für das international dicht vernetzte Produktions- und Konsumsystem und einen nachhaltigen Wandel dessen bedeutet, wird von den SDGs zwar betrachtet, sollte aber von Nachhaltigkeitsstrategien stärker in den Blick genommen werden. Inklusive Strukturen sollten gefördert werden.
- Zugang zu digitalen Angeboten für alle gesellschaftliche Gruppen sei auch wichtig für die Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Insbesondere auch Bottom-Up-Ansätze könnten davon profitieren und sollten stärker für nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden.
- Big-Data als öffentliches Gut sei ein dringendes gesellschaftliches Thema mit signifikanten Nachhaltigkeitspotenzialen. Mehr öffentlich zugängliche Daten könnten etwa der sozioökonomischen Forschung helfen, Konsumverhalten in seinen sozioökonomischen Wechselwirkungen genauer zu verstehen und nachhaltige Lösungsansätze zu entwickeln.
- Auch Reallabore seien eine geeignete Methode, um solche Daten zum Konsumverhalten zu generieren.
- Die Blockchain-Technologie könne dazu beitragen, mehr Transparenz über Herkunft, Produktion und Transport von Gütern herzustellen. Denn über Blockchain können alle Akteure einer Wertschöpfungs- und Lieferkette sowie Beteiligte an Transaktionen ein Netzwerk bilden, das relevante Daten kollektiv dokumentiert, gegenseitig verifiziert und damit unveränderbar in die Buchhaltung aufnimmt. Dieser Mechanismus könne Auswirkungen auf alle Produktions- und Konsumprozesse entfalten und letztlich auch die Vertrauenslücke zu KonsumentInnen schließen.
Teilgenommen haben:
Reiner Hengstmann (go4more)
Vivian Frick (IÖW)
Benno Keppner (Adelphi)
Tilmann Santarius (IÖW, TU Berlin)
Weitere Dialoge der Arbeitsgruppe